Gemeinsam stark: Wie soziale Beziehungen Resilienz am Arbeitsplatz fördern

Jetzt, da die Tage immer kürzer werden, wird unsere Widerstandskraft einmal mehr gefordert. Weniger Licht, weniger Begegnung und mehr Rückzug können sich auf unsere Energie, unsere Stimmung und Wohlbefinden auswirken. Gleichzeitig führen vermehrte Krankheitsausfälle oft zu höherem Arbeitsdruck und engeren Ressourcen. In dieser Zeit zeigt sich besonders deutlich, wie stark unsere soziale Umgebung beeinflusst, wie wir Herausforderungen bewältigen – und dass Resilienz mehr ist als eine persönliche Eigenschaft.

Resilienz beschreibt die Fähigkeit, Belastungen nicht nur auszuhalten, sondern sich schnell davon zu erholen und handlungsfähig zu bleiben. Lange galt Resilienz einzig als persönliche Eigenschaft – als Fähigkeit, Krisen zu überstehen, sich anzupassen, „stark zu bleiben“. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Psychologische Forschung zeigt zunehmend: Resilienz entsteht aus einem Zusammenspiel von persönlichen Ressourcen und sozialem Umfeld1,2.

1. Persönliche Resilienzfaktoren: innere Fähigkeiten wie Selbstregulation, realistische Zielsetzung, Problemlösung, Selbstwirksamkeit.

2. Soziale Resilienzfaktoren: die Qualität und Verlässlichkeit unserer Beziehungen und Netzwerke – im Arbeitsumfeld ebenso wie privat.

Beide diese Komponenten spielen eine wichtige Rolle für unsere Widerstandsfähigkeit. Individuelle Stärke kommt erst in einer unterstützenden Umwelt voll zum Tragen, und ein starkes soziales Netz wirkt vor allem dann nachhaltig, wenn Menschen darauf zugreifen können. Gemeinsam bilden eine starke persönliche und soziale Resilienz ein System, welches Stress abpuffert, psychische Beanspruchung reduziert3 und nachweislich langfristige gesundheitliche Vorteile mit sich bringt4.

In der dunkleren Jahreszeit nimmt soziale Interaktion natürlicherweise ab – Begegnungen werden seltener, Arbeit verlagert sich oft stärker ins Digitale, Mitarbeitende fehlen krankheitsbedingt häufiger. Dieser Rückgang an Verbindung schwächt unmerklich die sozialen Schutzmechanismen, welche uns in herausfordernden Phasen stärken.

Soziale Beziehungen – egal ob in der Familie, im Team oder Freundeskreis – können als natürlicher Schutzfaktor dienen, welcher weit über den emotionalen Support hinausgeht. Sie stärken unser Nervensystem, helfen uns bei der Stressregulation5 und wirken sich positiv auf unsere Leistungen und Zufriedenheit bei der Arbeit aus. Gesunde Beziehungen wirken außerdem als eine Art Puffer gegen Stress – sie reduzieren physiologische Belastungsreaktionen und fördern effektive Bewältigungsstrategien3.

Zudem zeigen Studien, dass eine starke soziale Verbundenheit unsere Lebensqualität deutlich steigern kann, da wir so länger aktiv und gesund bleiben. Dieser Effekt ist sogar stärker als die Wirkung von regelmäßiger Bewegung oder einer gesunden Ernährung4.

Auch im beruflichen Alltag ist Resilienz nicht ausschließlich eine individuelle Kompetenz. Mitarbeitende können sind vor allem dann besonders resilient, wenn das Arbeitsumfeld dazu beiträgt. Kollektive Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Teams oder einer Organisation, auf Belastungen flexibel zu reagieren, einander zu unterstützen und gemeinsam funktional zu bleiben, auch wenn äußere Bedingungen herausfordernd sind8.

Ein unterstützendes Arbeitsklima fördert offene Kommunikation, Vertrauen und Lösungsorientierung. Mitarbeitende können so Belastungen früher ansprechen, gemeinsam praktikable Strategien entwickeln und präventiv gegen Überforderung vorgehen. Gleichzeitig sinkt so die Wahrscheinlichkeit von Rückzug, Konflikten oder Produktivitätsverlusten.

1. Soziale Kontakte aktiv pflegen

Gerade in den kalten Wintermonaten braucht es eine noch bewusstere Pflege der sozialen Kontakte.  Regelmäßiger, selbst kurzer Austausch, stärkt die Verbundenheit und Resilienzkraft.

2. Unterstützung annehmen

Resilienz entsteht nicht nur im Geben, sondern vor allem auch durch das Annehmen von Unterstützung. Wenn wir frühzeitig um Hilfe bitten, verhindern wir Überlastung und schaffen Raum für Unterstützung. Das Gefühl, nicht alles allein schaffen zu müssen, stärkt sowohl unser psychisches Wohlbefinden als auch langfristig unsere Gesundheit.

3. Belastungen gemeinsam einordnen

Gemeinsam über Belastungen zu sprechen – was beeinflussbar ist und was nicht – reduziert das Gefühl von Kontrollverlust. Diese gemeinsame Perspektivklärung erleichtert Entscheidungen und hilft uns, Prioritäten klarer zu setzen.

4. Aktiv handeln, statt vor „Stress“ zu erstarren

Stress verleitet dazu, Entscheidungen aufzuschieben. Doch aktives Handeln – selbst kleine Schritte – sind genau dann besonders wichtig, denn es signalisiert dem Körper und dem Umfeld: „Ich habe Einfluss – ich kann etwas ändern“. Diese Wahrnehmung entlastet und gibt uns das Gefühl, die Situation „im Griff“ zu haben.

5. Selbstwirksamkeit stärken – bei sich und anderen

Anerkennung, konstruktives Feedback und das Sichtbarmachen individueller Beiträge unterstützen die innere Widerstandskraft. Menschen, die sich als kompetent erleben, sind belastbarer im Umgang mit Stress. Im Team fördert stärkere Selbstwirksamkeit zusätzlich das gegenseitige Vertrauen.

6. Grundbedürfnisse ernst nehmen

Schlaf, Tageslicht, Bewegung, Pausen, usw. beeinflussen Resilienz stärker als oft angenommen. Im Winter ist die Gefahr besonders groß, diese Grundlagen zu vernachlässigen. Wer hier bewusst gegensteuert, stärkt gleichzeitig die eigene psychische und soziale Resilienz.

7. Belastungen reflektieren, statt abhaken

Nach Überwindung von herausfordernden Situationen kann Reflexion helfen: Was hat geholfen? Was können wir beim nächsten Mal anders machen? Dieses Lernen stärkt unser Verständnis der eigenen Fähigkeiten und gibt Zuversicht und Kraft für neue Herausforderungen.

Resilienz ist nicht einfach eine persönliche Eigenschaft und auch kein rein soziales Phänomen –sie entsteht aus dem Zusammenspiel mehrerer Ebenen. Gerade in der Winterzeit, wenn soziale Kontakte abnehmen, zeigt sich der Wert sozialer Resilienz besonders deutlich. Wenn wir also unsere sozialen Ressourcen bewusst pflegen, stärken wir nicht nur unser Wohlbefinden, unsere Leistungsfähigkeit und langfristige Gesundheit, sondern tragen auch zu einem Umfeld bei, in dem Belastungen gemeinsam getragen werden.

If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.

afrikanisches Sprichwort

Quellen:

  1. Rutter M. (1987). Psychosocial resilience and protective mechanisms. The American Journal of Orthopsychiatry57(3), 316–331. https://doi.org/10.1111/j.1939-0025.1987.tb03541.x ↩︎
  2. Ungar, M. (2011). The Social Ecology of Resilience: A Handbook of Theory and Practice. https://doi.org/10.1007/978-1-4614-0586-3 ↩︎
  3. Southwick, S. M., Sippel, L., Krystal, J., Charney, D., Mayes, L. & Pietrzak, R. (2016). Why are some individuals more resilient than others: the role of social support. World Psychiatry, 15(1), 77–79. https://doi.org/10.1002/wps.20282 ↩︎
  4. Holt-Lunstad, J., Smith, T. B., & Layton, J. B. (2010). Social relationships and mortality risk: A meta-analytic review. PLoS Medicine, 7(7). https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1000316 ↩︎
  5. Vila, J. (2021). Social support and longevity: Meta-analysis-based evidence and psychobiological mechanisms. Frontiers in Psychology, 12. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.717164 ↩︎
  6. Southwick, S. M., Sippel, L., Krystal, J., Charney, D., Mayes, L. & Pietrzak, R. (2016). Why are some individuals more resilient than others: the role of social support. World Psychiatry, 15(1), 77–79. https://doi.org/10.1002/wps.20282 ↩︎
  7. Holt-Lunstad, J., Smith, T. B., & Layton, J. B. (2010). Social relationships and mortality risk: A meta-analytic review. PLoS Medicine, 7(7). https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1000316 ↩︎
  8. Gucciardi, D. F., Crane, M., Ntoumanis, N., Parker, S. K., Thøgersen‐Ntoumani, C., Ducker, K. J., Peeling, P., Chapman, M. T., Quested, E. & Temby, P. (2018). The emergence of team resilience: A multilevel conceptual model of facilitating factors. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 91(4), 729–768. https://doi.org/10.1111/joop.12237 ↩︎

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