Telepressure – was der Druck der ständigen Erreichbarkeit mit uns macht

Stell dir vor, du sitzt auf dem Sofa und dein Handy auf dem Wohnzimmertisch vor dir leuchtet auf: eine neue Nachricht. Spürst du dann einen Drang, direkt nachschauen zu wollen, wer geschrieben hat? Hast du dann das Gefühl du müsstest jetzt direkt antworten, dass die andere Person nicht zu lang auf deine Rückmeldung warten muss? Dieser Druck nennt sich in der Psychologie „Telepressure“ oder auch „Kommunikationsdruck“.

Am Arbeitsplatz oder im Arbeitskontext kann Kommunikationsdruck genauso entstehen, wie im Privaten. Arbeitsbezogener Telepressure (engl. Workplace telepressure) bezieht sich dabei auf den Druck oder Stress, der entsteht, wenn wir das Gefühl haben ständig erreichbar sein zu müssen und immer sofort auf arbeitsbezogene Nachrichten, E-Mails oder Ähnliches antworten zu müssen1. Gerade in beruflichen Kontexten in denen wir ein Geschäftstelefon oder Laptop mit nachhause nehmen, z.B. wenn man im Homeoffice arbeitet, ist das Risiko für Telepressure erhöht. In solchen Situationen wird oft „ständige Erreichbarkeit“ erwartet, manchmal selbst außerhalb der regulären Arbeitszeiten, was zu einer ständigen Belastung und hohem Stress führt.

Ständig erreichbar sein zu müssen, egal ob das tatsächlich erwartet wird oder dem eigenen Anspruch oder Fomo (fear of missing out – dt. Angst etwas zu verpassen) entspringt, bedeutet auch ständige Anspannung. Wir schauen regelmäßig nach, ob neue Nachrichten angekommen sind und halten das Handy oder den Laptop in der Nähe. Gerade dann, wenn sich dieser Druck auf arbeitsbezogene Nachrichten bezieht, verhindern wir mit einem solchen Verhalten unsere Entspannung bzw. stehen unter erhöhtem Druck. Das gilt sowohl für die tatsächliche Arbeitszeit, als auch für die arbeitsfreie Zeit zuhause. Der Druck direkt auf Nachrichten antworten zu müssen, bringt uns während der Arbeitszeit schnell aus dem Workflow, da jede neue Nachricht eine Unterbrechung bedeutet. Zuhause kann der Kopf dadurch nie ganz abschalten, Abstand von der Arbeit gewinnen, denn immer wieder kehren wir zur Arbeit zurück, auch wenn wir vielleicht nur kurz nachschauen, ob der Kollege oder die Kollegin noch eine Rückfrage hatte.

Wie hoch die Belastung durch Telepressure tatsächlich ist, hängt auch von den Inhalten der Nachrichten ab – wenn größere Probleme auftauchen, entsteht natürlich mehr Stress, als wenn die Nachricht nur über eine kleine Veränderung informiert. So oder so, kann uns der Druck ständig erreichbar sein zu müssen schaden. Je höher der Druck, desto mehr.

Studien haben herausgefunden, dass ein hohes Maß an arbeitsbedingtem Telepressure nicht nur zu mehr Stress und Anspannung führt, sondern auch weitere ernsthafte Folgen haben kann2,3,4. Einige langfristige Auswirkungen von hohem Tele-Druck sind:

  • Erhöhtes Burnout-Risiko
  • Reduzierte Schlafqualität
  • Verringerte Work-Life-Balance
  • Depressive Phasen und vermehrtes Erleben negativer Emotionen
  • Herzerkrankungen

Das relativ neue Phänomen von Telepressure wurde in den letzten Jahren mehr und mehr wissenschaftlich untersucht5,6,7. Die Ergebnisse zeigen verschiedene Ansätze auf, wie man gegen Telepressure, egal ob beruflich oder privat, vorgehen kann:

1. Klare Grenzen setzen

  • Wenn du dich unter Druck fühlst, ständig beruflich erreichbar sein zu müssen, hilft es, klare Grenzen zu setzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Gerade bei der Arbeit aus dem Homeoffice ist dies besonders wichtig. Definiere zum Beispiel feste Zeiten, zu denen du nicht auf berufliche E-Mails oder Nachrichten antwortest.
  • Auch im Privaten gilt es Grenzen zu setzen, wenn du das Gefühl hast unter Druck zu stehen, erreichbar sein zu müssen. Hier gilt genauso: es ist okay, feste Zeiten zu definieren, in denen du nicht auf Nachrichten/E-Mails antwortest. Zu Anfang kannst du auch mit kleinen Zeiträumen starten, wie z.B., während der Mahlzeiten das Handy wegzulegen. Auch Benachrichtigungstöne auszuschalten hilft, dem Tele-Druck entgegenzuwirken.  

2. Digital Detox

  • Ein „Digital Detox“ oder digitale Pause stärkt das eigene Wohlbefinden, und schenkt dem Körper (und Geist) Zeit zu entspannen und runterzufahren. Nimm dir hierzu bewusst Zeit und schalte deine digitalen Geräte (Handy, Laptop, Fernseher, etc.) aus und konsumiere für einen bestimmten Zeitraum keine digitalen Medien.
  • Je nach Situation kannst du erstmal klein anfangen, z.B. mit einer 2-stündigen Pause. Diese ist besonders effektiv, wenn die 2 Stunden abends direkt vor dem Schlafengehen stattfinden und du erst am Morgen wieder digitale Geräte verwendest. Du kannst diese Pause beliebig steigern. Für mehr Erholung wäre es ideal, ein ganzes Wochenende (zwei volle Tage) oder sogar eine Woche (z.B. im Urlaub) eine digitale Pause einzulegen.

3. Zeitmanagement-Techniken

  • Wenn du Telepressure während der Arbeitszeit oder im Arbeitsalltag spürst, kann eine bewusste Anwendung von Zeitmanagement-Techniken Abhilfe verschaffen. Setze dich hierzu in Ruhe hin und priorisiere, welche Art von Nachrichten für dich von höherer Wichtigkeit sind und welche weniger dringlich sind. Dabei kannst du diese nach Absender oder Inhalt definieren. Im E-Mail-Postfach hilft es auch, die E-Mails direkt in Ordner zu sortieren, sodass diese kategorisiert sind. So weißt du immer, welche E-Mails noch zu beantworten sind und wie schnell dies nötig ist.
  • Außerdem kann es helfen sich bestimmte Zeiten zu nehmen, in denen du dich bewusst um deine Nachrichten und E-Mails kümmerst, z.B. direkt vor oder nach einer Arbeitspause oder am Anfang des Arbeitstages. Dadurch stören eingehende Nachrichten auch weniger oft den Workflow, wodurch du effizienter und weniger erschöpft am Ende des Arbeitstages bist.

4. Kommunikation deiner Grenzen

  • Die eigenen Grenzen, ein digitales Time-Out oder Zeiten in denen du nicht erreichbar bist zu kommunizieren, kann helfen, in den „nicht-erreichbar-Zeiten“ entspannter zu werden. Durch die klare Kommunikation, wissen die Personen, die dich kontaktieren Bescheid und dein Druck erreichbar sein zu müssen, verringert sich.

5. Achtsamkeit und Stressmanagement

  • Für einen besseren Umgang mit dem ständigen Druck, erreichbar sein zu müssen, hilft Achtsamkeit. Wenn wir bewusst wahrnehmen, was gerade um uns herum geschieht, können wir besser zur Ruhe kommen und der Körper kann angestaute Anspannung loslassen. Dadurch wird auch erlebter Telepressure weniger.
  • Auch andere Stressmanagement-Techniken, wie Atemübungen, Mediationen, Sport oder einem Hobby nachzugehen, welches dir Freude bereitet, helfen, den Tele-Druck zu reduzieren.

Balance ist nicht etwas, was man findet, sondern etwas, was man schafft.

Jana Kingsford

Quellen:

  1. Barber, L. K., & Santuzzi, A. M. (2015). Please respond ASAP: Workplace telepressure and employee recovery. Journal of Occupational Health Psychology, 20(2), 172–189. https://doi.org/10.1037/a0038278 ↩︎
  2. Semaan, R., Nater, U. M., Heinzer, R., Haba‐Rubio, J., Vlerick, P., Cambier, R. & Gomez, P. (2023). Does workplace telepressure get under the skin? Protocol for an ambulatory assessment study on wellbeing and health-related physiological, experiential, and behavioral concomitants of workplace telepressure. BMC Psychology, 11(1). https://doi.org/10.1186/s40359-023-01123-4 ↩︎
  3. Hu, X., Santuzzi, A. M., & Barber, L. K. (2019). Disconnecting to detach: The role of impaired recovery in negative consequences of workplace telepressure. Journal of Work and Organizational Psychology, 35(1), 9–15. https://doi.org/10.5093/jwop2019a2 ↩︎
  4. Park, Y., Liu, Y. & Headrick, L. (2018). Improving lives of teachers: Staying connected to work, work-family boundary control, and strain. Proceedings – Academy of Management, 2018(1), 13441. https://doi.org/10.5465/ambpp.2018.7 ↩︎
  5. Santuzzi, A. M., & Barber, L. K. (2018). Workplace telepressure and worker well-being: The intervening role of psychological detachment. Occupational Health Science, 2(4), 337–363. https://doi.org/10.1007/s41542-018-0022-8 ↩︎
  6. Dwyer, R. J., Kushlev, K., & Dunn, E. W. (2018). Smartphone use undermines enjoyment of face-to-face social interactions. Journal of Experimental Social Psychology, 78, 233-239. ↩︎
  7. Gillet, N., Morin, A. J., Fernet, C., Austin, S., & Huyghebaert-Zouaghi, T. (2023). Telepressure and recovery experiences among remote and onsite workers. Journal of Personnel Psychology, 22(1), 13–19. https://doi.org/10.1027/1866-5888/a000303 ↩︎

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